Ein ständiges Pfeifen, Brummen oder Rauschen im Ohr – aber kein Arzt findet die Ursache. Für Millionen Menschen in Deutschland ist das leider Alltag.
Tinnitus gilt als Volkskrankheit. Bei vielen Betroffenen bleibt die Suche nach der Quelle jedoch erfolglos. Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Die Ursache muss nicht immer im Innenohr liegen.
Inhaltsverzeichnis
Wenn die Medizin keine Antwort hat
Laut Deutscher Tinnitus-Liga leiden rund 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland dauerhaft unter Tinnitus. Rund drei Prozent von ihnen fühlen sich dadurch stark in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt.
Obwohl die Forschung in den letzten Jahrzehnten einige Fortschritte gemacht hat, bleibt die genaue Entstehung in vielen Fällen unklar. Die klassische Ohrdiagnostik – also Hörtest, Untersuchung des Trommelfells, Ausschluss von Infekten – verläuft häufig ohne eindeutiges Ergebnis. Das belastet die Betroffenen zusätzlich, da sie sich mit ihrem Leiden oft nicht ernst genommen fühlen.
Tinnitus: Mehr als nur ein Ohrgeräusch
Zunehmend rückt deshalb die ganzheitliche Betrachtung des Symptoms in den Fokus. Die Erkenntnis: Tinnitus ist nicht nur ein Problem des Ohrs – er kann auch durch muskuläre, nervliche oder strukturelle Faktoren beeinflusst oder sogar ausgelöst werden.
Besonders auffällig ist die enge Verbindung zwischen Tinnitus und Stress. Chronische Anspannung verändert die Aktivität im limbischen System. Dies ist der Teil des Gehirns, der auch an der Hörverarbeitung beteiligt ist. Gleichzeitig zeigt sich bei vielen Patienten eine erhöhte Muskelspannung im Nacken-, Schulter- und Kieferbereich.
Ein Zusammenhang, der besonders häufig übersehen wird, besteht mit dem Kiefergelenk. Funktionelle Störungen der sogenannten Craniomandibulären Dysfunktion, kurz CMD, können Tinnitus nicht nur verstärken, sondern auch auslösen. Die Verspannungen der Kaumuskulatur können auf das nahegelegene Ohr ausstrahlen.
In solchen Fällen ist eine interdisziplinäre Abklärung sinnvoll, beispielsweise durch den CMD Spezialist in München, der eine umfangreiche Expertise zu den Wechselwirkungen zwischen Kiefer, Muskulatur und Hörorgan mitbringt.
Die Körpersprache der Kaumuskulatur
Die Nähe von Kiefergelenk, Gehörgang und Hirnnerven zeigt bereits, wie eng die Strukturen im Kopfbereich zusammenarbeiten.
Eine Fehlstellung des Kiefers kann Druck auf bestimmte Nervenbahnen ausüben, darunter den Nervus trigeminus. Dieser versorgt sensorisch auch das Mittelohr. Darüber hinaus ist es möglich, dass eine Dysbalance der Hals- und Kiefermuskulatur über Faszienketten zu Funktionsstörungen im Innenohr führt.
Studien zeigen, dass bis zu 36 Prozent der Patienten mit chronischem Tinnitus auch unter Symptomen einer CMD leiden – allerdings häufig ohne es zu wissen.
Wenn der Tinnitus sich modulieren lässt
Ein typisches Indiz für eine muskuläre oder strukturelle Beteiligung: Der Tinnitus verändert sich bei Bewegung. Wird das Pfeifen beim Kauen, Kieferpressen oder bei bestimmten Kopfhaltungen lauter oder leiser, spricht das für einen somatosensorisch beeinflussten Tinnitus.
Doch auch hier gilt: Eine strukturierte Diagnostik ist entscheidend. Neben HNO- und Hörspezialisten sollten – je nach Befund – auch Zahnmediziner, Physiotherapeuten oder Neurologen in die Abklärung einbezogen werden.
Die Behandlung somatosensorischer Tinnitusformen erfordert dann ein differenziertes Vorgehen. Neben der Beseitigung der mechanischen Auslöser – zum Beispiel durch den Einsatz von Zahnschienen oder manualtherapeutischen Maßnahmen – ist eine begleitende Entspannungs- oder Verhaltenstherapie zu empfehlen. Auch Biofeedback, Atemtherapie oder Yoga zeigten in Studien, dass sie positive Effekte auf das Tinnitus-Erleben haben.
Die Ursache liegt nicht immer im Ohr
Bei Tinnitus handelt es sich um ein vielschichtiges Symptom – und manchmal ist das Ohr nur der Resonanzraum für ein Problem, das eigentlich ganz woanders sitzt.
Wer trotz unauffälliger Befunde weiter unter Ohrgeräuschen leidet, sollte daher über den akustischen Tellerrand hinausschauen.